Flüchten Sie und Ihre B2B-Partner gerade vor dem Retailkunden, Herr Dr. Brock?

Dr. Harald Brock ist einer der Geschäftsführer von investify TECH, die ursprünglich als Robo Advisor angetreten sind, sich mittlerweile aber zu einem führenden Technologieanbieter im B2B-Geschäft der digitalisierten Vermögensverwaltung entwickelt haben. Der Private Banker fragte Brock nach den Gründen.

PB: Dr. Brock, investify war hierzulande einer der ersten Robo Advisor im Retailmarkt. Sie lieferten dann eine Robo-Plattform für Finanzdienstleister, seit einiger Zeit digitalisieren Sie auch viele Anbieter, die auf das Private Banking und die persönliche Kundenbetreuung setzen. Was heißt das konkret und wie entsteht ein Nutzen für Banken und Vermögensverwalter?

HB: Unsere B2B-Partner sollen sich mit Hilfe unserer Plattform auf ihre Kernkompetenzen, nämlich das Asset Management, die Betreuung ihrer Kunden und den Vertrieb, konzentrieren können. Wir digitalisieren hierzu die gesamte Wertschöpfungskette, vom Onboarding bis zum Reporting, inkl. des ‚Maschinenraums‘. Dabei berücksichtigen wir die verschiedenen Vertriebs- und Betreuungswege: Wir decken persönliche Kanäle genauso ab, wie digitale (Robos bzw. Self-Service-Lösungen). Das einzigartige im Markt: Auch die belastenden, weil regulierten Prozesse und Aufgaben übernimmt unsere Plattform: Abwicklung (Ordering, Orderkontrollen), Verlustschwellenüberwachungen, Reporting etc.. Das Risiko dieser Prozesse kann an uns ausgelagert werden, weil wir selber staatlich reguliert sind und wie unsere Partner von der Bankenaufsicht kontrolliert werden. Unsere Lösungen sind White-Label-Angebote, der Endkunde sieht uns also nicht, er sieht nur die Marke und die Alleinstellungsmerkmale des Vermögensverwalters, also unseres B2B-Partners. Außerdem: Effiziente und zukunftsfähige IT-Lösungen, das zeigt die Entwicklung und das ist seit langem unsere Überzeugung, sind Plattform-Lösungen, die aus einer Hand angeboten werden.

PB: Wo liegt Ihre Kernkompetenz?

HB: Die Kombination von Technologie und Regulatorik ist unsere Kernkompetenz, hierdurch entsteht der Kundennutzen. Unsere Plattform lebt, sie wird immer weiter ausgebaut und z.B. an die aktuell geltende Regulatorik angepasst. Auch dies reduziert die Belastung bei dem einzelnen Partner. Wir glauben fest daran, dass man bei wachsender Regulierung Technologie- und Regulatorik-Themen zusammen denken muss, da sonst durch Schnittstellen und Abstimmungsaufwände die Komplexität erhöhen und damit die Kosten steigen lassen. Zudem ist es viel zu teuer für den einzelnen Finanzdienstleister, eine eigene Mannschaft zu unterhalten, die regulatorische Themen in die Software bringt und Prozesse ständig neu denkt. Unsere Plattform macht das einmal – und alle können es nutzen.

 

PB: Welches sind Ihre Zielgruppen, für wen sind Sie tätig?

HB: Unsere Lösungen sind für kleine und große Finanzdienstleister gleichermaßen interessant. Wir haben mit der LBBW bzw. deren Tochter BW-Bank gerade ein EZB-reguliertes öffentlich-rechtliches Institut angeschlossen, die Valexx ist eine Tochter der Hannoverschen Volksbank, M.M. Warburg eine traditionsreiche Privatbank. Zu unseren Kunden gehören aber auch klassische unabhängige

Vermögensverwaltungen wie die Kölner Majestas, DJE aus München, HAC aus Hamburg oder Boerse.de aus Rosenheim, aber auch Europas größte Nachhaltigkeitsbank Triodos, die SozialBank oder die Pax-Bank aus Köln. Damit haben wir auch eine große Expertise bei nachhaltigen Instituten entwickelt.

PB: Ist die B2B-Strategie eigentlich eine Flucht vor dem enttäuschenden Retail-Geschäft? Ich meine, irgendwie ist die Sache mit den Robos, die ja mal eine Konkurrenz für Fonds hätten sein sollen, ziemlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

HB: Ich sehe es als Ergänzung. Wir bauen auch heute noch viele Robo-Lösungen für unsere Kunden, die sich erfolgreich im Markt positionieren. Allerdings glaubt keiner unserer Kunden, dass man nur ein Online-Angebot schalten muss und dann kommen die Anleger von selbst. Das wäre naiv – unsere Plattformkunden verfügen meistens über Zugang zu einer relevanten Zielgruppe oder haben die Marketingpower, diese Zielgruppe zu erreichen. Wir als Unternehmen flüchten also ganz und gar nicht vor Retailkunden. Wir haben lediglich eine breit aufgebaute Plattform geschaffen, die für Retail- und Private Banking-Anbieter relevant ist. Der Nutzen, den wir erzeugen können, ist nicht vom Kundensegment abhängig.

Der Artikel ist erstmalig am 19/03/24 im Private Banker erschienen.